Was so leicht klingt, gestaltet sich in der Praxis aber schwieriger. Die Unterschiede zwischen der deutschen und der arabischen Arbeitswelt sind enorm. Salah Arafat leistete beim 26. Rundgespräch Aufklärung.
„Ich bin froh, dass ich diesen Vortrag gehört habe“, war die Reaktion eines Teilnehmers. Dass die Arbeitswelt in der arabischen Welt insbesondere in Syrien ganz anders aussieht, war für manchen der Teilnehmer am 26. Rundgespräch keine neue Erkenntnis. Nur, damit auseinandergesetzt hatten sich bisher wohl wenige. Salah Arafat gelang es beim 26. Rundgespräch am 15. Mai 2018 im Kath. Kirchenzentrum St. Ulrich, die über 60 Zuhörer/innen mit wichtigen Informationen zu versorgen. Der gebürtige Palästinenser lebt seit 41 Jahren in Deutschland und hat in Berlin Elektrotechnik studiert. Er berichtete aus allererster Hand, wie die Integration in den deutschen Arbeitsmarkt gelingt.
Hörsaal vor Handwerk
Das Handwerk, so begann Arafat seinen Vortrag, habe im arabischen Raum einen viel geringeren Stellenwert als in Deutschland. Akademische Berufe trügen zum Ansehen der Familie bei, während Handwerksberufe tendenziell geringer geschätzt würden. Eine duale Ausbildung gebe es nicht. Wer in Handwerksberufen bleibe und nicht akademische Weihen anstrebe, lerne eben vor Ort beim Arbeitgeber, was oft ein Familien- oder Clanangehöriger sei: der Sohn lerne vom Vater.
Die Rolle der Religion
In einer Gesellschaft, die viel stärker durch Religion geprägt sei als die unsere, bleibe auch der Islam nicht ohne Auswirkung auf die Arbeitsleistung. Dass gläubige Moslems fünfmal täglich beten müssten, dürfe bei uns nicht als Grund für Gebetspausen benutzt werden, denn Gebete könne man auch nachholen. Zurzeit ist wieder der Fastenmonat Ramadan, doch ein Zimmermann würde schwerlich bei 30 Grad im Schatten den ganzen Tag Dächer decken können, ohne einen Tropfen zu trinken!
Frauenarbeit werde von den Männern nicht immer gerne zu sehen, von der Kopftuchfrage ganz zu schweigen. Bei der Beurteilung sollte man aber nicht vergessen, dass die Gleichberechtigung von Mann und Frau bei uns auch erst in der 2. Hälfte des 20. Jahrhundert realisiert wurde.
Perspektiven in der Ausbildung…
Welche Chancen bieten sich also für Flüchtlinge aus dem arabischen Raum, die in Deutschland arbeiten möchten?
Die jüngere Generation werde bei uns entweder eine Berufsausbildung machen oder in Aushilfsjobs tätig sein. Für die ältere Generation, von Ausnahmen abgesehen, würden meist nur Aushilfsjobs in Frage kommen. Akademiker könnten, nachdem ihre Abschlüsse anerkannt worden seien, meist mit einem Ergänzungsstudium in ihrem Beruf auch bei uns arbeiten. Eine entscheidende Voraussetzung sei die Alphabetisierungsrate, die jedoch innerhalb der arabischen Welt schwanke.
…und im Ehrenamt
Der Referent ging auch auf das Ehrenamt, das man in diesen Ländern überhaupt nicht kenne, ein. Die Herausforderungen, die bei uns in vielen Bereichen durch das Ehrenamt gelöst werden, würden dort von der Großfamilie übernommen. Zwar gebe es im sportlichen Bereich auch Ehrenamtliche, grundsätzlich sei dies aber die Ausnahme. Salah Arafat schloss mit der Feststellung, dass nicht nur Bildung und Arbeit, sondern auch Gesellschaftskenntnisse der Schlüssel zur Integration seien.
Auftrag an die Politik
Der Auftrag an die Politik sei deshalb klar, erklärte der 1. Vorsitzende und Koordinator der Unterstützergruppe „Asyl/Migration Dillingen a.d.D.“ e. V. im Anschluss an Arafats Vortrag. Zwar stünden 40 Prozent der Flüchtlinge in Dillingen schon in Arbeit oder Ausbildung, allerdings fehle es oft am Kontakt zu Einheimischen. Für eine große Gruppe an Flüchtlingen lägen die höchsten Hürden jedoch gar nicht in mangelnden Sprachkenntnissen oder der fehlenden Bereitschaft zur Integration, sondern in der Bürokratie: Flüchtlinge, die keinen Schutzstatus haben, seien in Bayern von der Arbeitswelt praktisch ausgeschlossen. Das Ergebnis: junge Männer, die beschäftigungslos in den Unterkünften „herumlungerten“. Schrenk erinnerte in diesem Zusammenhang an den Appell von Dr. Volker Westerbarkey bei der Verleihung des Ulrichspreises an Ärzte ohne Grenzen: „Unsere Erfahrung ist, dass der Ausschluss von Asylsuchenden aus dem gesellschaftlichen Leben sich sehr negativ auf ihre mentale Gesundheit auswirkt. Deshalb kann ich aus medizinischen Gründen nur an die Behörden appellieren, jeden Spielraum zu nutzen, um diese vielfach belasteten Menschen nicht noch zur Untätigkeit zu verdammen!“