Der Vorstand beschloss am 06.03.2019, sich einem Offenen Brief des Runden Tischs Kirchenasyl der Metropolregion Nürnberg an Bundesinnenminister Horst Seehofer und die Innenminister der Länder anzuschließen.

 

Sehr geehrter Herr Bundesinnenminister Seehofer, sehr geehrte Innenminister der Länder,

ein gutes halbes Jahr nach dem Beschluss der ständigen Konferenz der Innenminister zum Kirchenasyl vom Juni 2018 sehen wir uns als Runder Tisch Kirchenasyl in der Metropolregion Nürnberg gezwungen, uns an die Öffentlichkeit zu wenden. Wir tun dies stellvertretend für die Geflüchteten im Kirchenasyl, aber auch gemeinsam mit vielen anderen Institutionen, Solidaritätsbewegungen und Einzelpersonen, die sich für Geflüchtete einsetzen. [...]

Während wir diesen Brief schreiben, denken wir an Frau N. aus Eritrea. Nach traumatisierenden Fluchterfahrungen in Libyen, kam sie in Italien psychisch bereits stark belastet und zudem körperlich krank an. Sie erhielt keinerlei Unterstützung, lebte auf der Straße, wurde vergewaltigt und floh weiter nach Deutschland. Hier hat sie Schutz vor einer Rückschiebung nach Italien in einem Kirchenasyl gefunden.
Wir denken an Herr K. und Herrn A., Yesiden aus dem Irak, die von einer Abschiebung nach Bulgarien bedroht sind, wo sie während ihres ersten Aufenthaltes erniedrigende und unmenschliche Behandlungen über sich ergehen lassen mussten. Andere Bundesländer haben die Abschiebungen nach Bulgarien ausgesetzt. Doch in Bayern droht ihnen die Abschiebung, aktuell haben sie davor Schutz in einem Kirchenasyl gefunden.

Diese Beispiele zeigen, wie wichtig Kirchenasyl auch weiterhin ist, wie nötig dieses christlichhumanitäre Handeln gebraucht wird, um Entscheidungen zu ermöglichen, die rechtsstaatlichen Ansprüchen genügen und an den Menschenrechten orientiert sind.

Dem gegenüber stellen wir fest:

  • Die auf der Innenministerkonferenz festgelegten Änderungen der praktischen Handhabung des Kirchenasyls durch das BAMF sind rechtlich fragwürdig. Es steht zu befürchten, dass Asylsuchende, bei denen ein Härtefall vorliegt, entweder 18 Monate im Kirchenasyl verbleiben müssen oder einer inhumanen Abschiebepraxis unterworfen werden.
  • Die EKD hält die Verlängerung der Überstellungsfrist für Schutzsuchende im Kirchenasyl, deren Aufenthaltsort bekannt ist, auf 18 Monate für rechtswidrig. Ein Gast im Kirchenasyl, der sich bis zur Entscheidung des Dossiers dort legal befindet, wird mit einer Dossierablehnung von einem Tag auf den anderen als flüchtig angesehen, ohne seinen, den Behörden bekannten, Aufenthaltsort zu verändern. Kirchenasylgäste wie Asylgewährende und eine Inschutznahme aus Nächstenliebe werden dadurch kriminalisiert.
  • Die Prüfung von Härtefalldossiers (Einzelfallprüfung) erfolgt im BAMF durch die gleiche Stelle, die bereits im Vorfeld eine Abschiebung in das jeweilige EU-Drittland angeordnet hat. Das Dossier wird dabei nach den gleichen rein formalen und juristischen Kriterien beurteilt, mit dem vorhersehbaren Ergebnis, dass 90-95 % der eingereichten Härtefalldossiers seit August 2018 abgelehnt werden. Eine inhaltliche Prüfung des einzelnen Härtefalls anhand menschenrechtsorientierter Kriterien findet in der Regel nicht mehr statt und humanitäre Notsituationen werden faktisch nicht mehr berücksichtigt.
  • Die von der Innenministerkonferenz getroffenen Beschlüsse erschweren Kirchenasyl in einer erheblichen Weise, so dass die Zahl der Kirchenasyle zurückgeht und weniger Menschen in besonderen humanitären Härtefallsituationen Schutz finden.

Wir fordern daher:

Die sofortige Rückkehr zum in der Praxis bis Juli 2018 erfolgten und sehr erfolgreich erprobten Vorgehen zwischen Kirchen und dem BAMF auf Basis der Vereinbarung vom Februar 2015. Diese Vereinbarung umfasst eine Zusage des BAMF,

  • die Überstellungsfrist im Dublinverfahren für im Kirchenasyl befindliche Geflüchtete bei sechs Monaten zu belassen und nicht auf 18 Monate zu verlängern.
  • bei der Beurteilung der Dossiers neben formalen vor allem humanitäre und menschenrechtsbezogene Kriterien zu berücksichtigen.
  • jeden Fall in seiner Härte und Besonderheit zu betrachten, die Frage nach der individuellen Schutzbedürftigkeit in den Vordergrund zu stellen
  • die erneute Prüfung durch eine unbefangene Instanz innerhalb des BAMF zu gewährleisten. Bis 2016 wurden Härtefalldossiers in der Abteilung für Qualitätssicherung überprüft.

Oberste Priorität im Umgang mit Geflüchteten muss Artikel 1 des Grundgesetzes sein. „Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.“

[...]

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